Chronik

Die Entwicklung unseres Heimatspiels - eine Chronik

 


Die Entstehung und Entwicklung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts

 

Der Ursprung unseres Heimatspiels liegt unbestritten im Klootschießen. Es war unseren Vorfahren schon seit Jahrhunderten bekannt, der genaue Zeitraum der Entstehung läßt sich allerdings nicht nachweisen. Das älteste Zeugnis über das Klootschießen stammt aus dem Jahre 1510. Im Staatsarchiv zu Aurich fand der Heimatforscher Georg Janssen aus Sillenstede im ältesten Landgerichtsbuch folgende Eintragung: "Ein Johann aus Leer hat unachtsam dem Wirt Seeben mit dem Kloot vor den Kopf geschossen, was ein blaues Auge und zwei blutige Stellen am Kopf zur folge hatte".

Zur Entstehung gibt es zwei Versionen, die allerdings beide darauf hindeuten, daß das Klootschießen mit dem Umstand zu tun hat, daß es bis heute fast ausschließlich in den Küstenbereichen verbreitet ist.
Man sagt, daß die Bewohner des Küstenstreifens in früheren Zeiten Kugeln aus Lehm gefertigt haben, die an dünnen Seilen befestigt wurden. Mit Hilfe dieser Kugeln wurde das im Meer treibende Strandgut an Land gezogen. Aus dieser Lebensnotwendigkeit, sich Strandgut zu sichern, wurde mit der Zeit dann ein Leistungsvergleich mit dem Charakter eines sportlichen Wettkampfes.

Die zweite Version besagt, daß die alten Friesen sich gegen Eindringlinge mit harten Kleikluten gewehrt haben. Um jederzeit gewappnet zu sein, wurden große Klutenhaufen angelegt. Das Werfen mit den Kluten wurde regelmäßig geübt, um die Treffsicherheit und die Wurfweite zu erhöhen. In Friedenszeiten hat sich das Trainieren dann zu einem sportlichen Wettkampf entwickelt.

Welche Version die zutreffende ist, das soll hier dahingestellt bleiben. Fakt ist, daß das Klootschießen ein urwüchsigen Heimatspiel der Friesen ist. Es hat sich in den an der Küste gelegenen Marschen Ostfrieslands Oldenburgs, Schleswig-Holsteins und Hollands sowie in den angrendzenden Geestgebieten durch jahrhunderte von Generation auf Generation übertragen und findet bis zum heutigen Tag ein tiefe Verwurzelung in allen Schichten des Küstenvolkes. Auch heute ist das Ziel eines jeden Wettkampfes, gegenseitig die Wurfkraft und Wurfgenauigkeit zu messen - ob Mann gegen Mann oder Verein gegen Verein oder Land gegen Land. Gerungen wird um Sieg und um die Ehre.

Eine erste Blütezeit gerlebte das Klootschießen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das frivole Verhalten, welches oft in Saufgelage und Schlägereien ausartete, war fast beendet, und gemäß dem Aufruf des Turnvaters Jahn bildetetn sich allerorts Turnvereine, die ihre Ziele in der Körperertüchtigung sahen und Kameradschaft und Geselligkeit an ihre Fahnen hefteten. diese Ideale passten auch inden Gedankengang der Friesensportler, wobei der friedliche Wettkampf oberstes Gebot hatte.

Im Jahre 1896 regte der Vorsitzende des Turnvereins Jever, Herr Stemshorn, an, das uralte Klootschießen im Rahmen von Sportfesten vorzuführen. Jeder Werfer sollte vom Stande aus mit 500 gr schweren Kugeln 6 Würfe nacheinander machen. Der Sieger sollte einen Eichenkranz erhalten.
Damit stieß er auf fruchtbaren Boden. Noch im gleichen Jahr fand in Jever und in Hooksiel ein Sommerfest mit Klootschießen statt. Sieger wurde beide Male Johann Ziegler aus Heppens. Am 08. August 1898 fand in Ostochersum ein Volkwettspielfest statt, bei dem Wettkämpfe im Klootschießen, Schleuderballwerfen, Steinstoßen, Stemmen, Weitsprung und Hindernislaufen stattfanden. Sieger wurde Gerhard Gerdes aus Holtriem.

 


Die Gründungszeit der Vereine und Verbände

 

Der große Aufwind sollte mit der Jahrhundertwende kommen. Im Jahr 1900 erfolgte die erste Vereinsgründung im Harlingerland: Der Klootschießer- und Boßelverein "Freya" Neuharlingersiel wurde gegründet.

Ein großer - der vielleicht bedeutendste - Meilenstein wurde im Jahr 1902 von Gerhard Gerdes aus Ochtersum/Holtriem und Hinnerk Dunkhase aus Burhave/Butjadingen gesetzt. Nach ersten Kontakten vor, während und nach dem Wettkampf zwischen Butjadingen und Ostfriesland in Hohenberge, an dem beide als Werfer teilnahmen, machte man sich Gedanken über die Gründung eines Großverbandes für alle Klootschießer. 15 Monate später, am 28. Mai 1902, wurde der Friesische Klootschießerverband in Burhave aus der Taufe gehoben. Erster Vorsitzender wurde Hinnerk Dunkhase. Die Zielsetzung bieder Initiatoren war die Einhaltung unserer uralten Sitten und Gebräuche und die Erhaltung unserer plattdeutschen Muttersprache.

Dieser bedeutende Zusammenschlueß fand in ganz Ostfriesland und im nördlichen Oldenburg Beachtung und löste allseits eine Begeisterung aus. Das kameradschaftliche Verhältnis, wo auch immer die Klootschießer und Boßler auftraten, verfehlte seine Wirkung nicht. Das Bedürfnis, dabei sein zu können, wuchs ständig. Dies drückte sich aus bei der Neugründung vieler Vereine und durch die stetige Steigerung der Mitgliederzahlen.

Auch im Harlingerland trieb Gerhard Gerdes den Aufschwung des Heimatspiels voran. Wie aus enem von Gerhard Gerdes am 21. Mai 1902 verfassten Protokoll hervorgeht, wurde von Werfern aus Esens und Umgebung sowie aus Holtriem mit der Gründung des Harlingerländischen Kugelwerfervereins der Grundstein für das heutige Leben des Kreisverbandes VIII Esens gelegt. Erster Vorsitzender wurde Gerhard Gerdes.
Eine rege Vereinstätigkeit entstand, wobei das Werfen der einezelnen Ortsteile im blickpunkt stand. Geschlossen trat man auch gegen andere Mannschaften wie Butjadingen und Gödens an.

Im Jahre 1905 wurde der Harlingerländische Kugelwerferverein dann in den Verein für das Amt Esens umgewandelt. Die Geburt des Kreisverbandes VIII Esens war vollzogen. Genau diese Bezeichnung - Kreisverband VIII Esens - führt Gerhard Gerdes bereits zu dieser Zeit in seinen Unterlagen.

Die Fahne aus dem Gründungsjahr 1905 ist noch im Original erhalten.

Die Entwicklung des Heimatspiels bis zum Zweiten Weltkrieg

 

Nachdem das Grundgerüst unseres Heimatspiels - die Vereine und Verbände - stand und sich regelmßige Wettkämpfe und Veranstaltungen etabliert haben, kam mit dem ersten Weltkrieg der erste große Einschnitt. Auch in die Reihen der Klootschießer wurden große Lücken gerissen, so kehrten u. a. die Meisterwerfer Jakob Hinrichs und Christoph Eilts nicht zurück.

Im Jahre 1919 fing das Leben dann langsam wieder an und die Arbeit im Verband wurde wieder aufgenommen. Theodor Hinrichs, damals Lehrer in Eversmeer, Cornelius Abken und Hayo Willms, Enno Johannsen und Meinahrd Wieting tragen als bekann gute Werfer hervor. Gerhard Gerdes, seit Gründung des Friesischen Klootschießerverbandes als Schriftführer Vorstandsmitglied, wurde 1925 Vorsitzender des FKV. Enno Johannsen war zwei Jahre lang (1924 - 1926) Schriftführer im FKV. Dieses Amt übernahm von ihm Meinhard Wieting aus Esens, der das Amt bis 1938 bekleidete. In dieser Zeit bildeten die Verbandsfeste die jährlichen Höhepunkte.

Aufnahme vom Kreisklootschießen am 13. März 1931 in Rispel.

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Ein herausragendes Ereignis sollte den 18. März 1935 zu einem bedeutenden Tag machen. Als erstem Werfer gelang es Gerd Gerdes aus Utgast, den Kloot über die bis dahin magische 100-Meter-Grenze zu werfen. Auf dem Kreisverbandsfest auf dem Schützenplatz in Esens erzielte er die bis dahin unglaubliche Weite von 101,50 Metern. Dieser Rekord sollte - was damals keiner geglaubt hätte - erst 50 Jahre später, nämlich 1985, überboten werden.

In der Zeit von 1927 bis 1937 wurden neben den großen Feldkämpfen Ostfriesland gegen Oldenburg auch regelmäßig Feldkämpfe der Kreisverbände Esens und Norden ausgetragen. Die herausragenden Werfer aus dem Esenser Kreisgebiet waren zu dieser Zeit Gerd Gerdes (Utgast), Ricklef Gerdes (Utgast), Cornelius Apken (Moorweg), Heyo Willms (Schweindorf), Theodor Behrends (Utgast), Arend Hinrichs (Utgast) und Stoffer Janssen (Barkholt).

Der große Einschnitt folgte dann mit Beginn des Zweiten Weltkrieges. Das Vereins- und Verbandsleben stand still, und viele Klootschießer kehrten nicht wieder zurück.


Der Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg

 

Ein Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Kreisverbandsgebiet wieder geboßelt und geflüchtet, soweit es die Besatzungsmächte zuließen. 1947 kam es zu einem Verbot des Friesenspieles, da die britischen Besatzer kurzerhand alle Aktivitäten, die etwas mit Waffen zu tun hatten, verboten haben. Zwar kannten die Briten das Klootschießen nicht, aus dem Wort "schießen" jedoch schlossen sie, daß es sich um einen Waffensport handelte. Eine Demonstration des Klootschießens 1947 in Isums bei Wittmund klärte dieses Mißverständnis schnell auf, so daß es mit dem Klootschießen wieder aufwärts gehen konnte.

Das größte Problem lag in der Zeit in der Beschaffung von Wurfgeräten. Erst allmählich war man allerortw wieder mit den nötigen Utensilien versorgt, und der Heimatsport konnte nach und nach in vollem Umfang wieder aufgenommen werden.

Im Kreisverband VIII waren es insbesondere die Männer der Vorkriegszeit, Meinhard Wieting, Cornelius Apken, Gerhard Janssen und Dirk Emken, die unermüdlich überregional für das Aufwärtsstreben des Klootschießens und des Boßelns sorgten. Cornelius Apken führte den Kreisverband weiterhin an. Die überragenden Werfer waren damals Gerd und Riclef Gerdes, Fooke Freese und Heinke Willms. Dem Kreisverband gehörten 25 Vereine an.

Ab 1948 wurde wieder ein Kreiswerfen durchgeführt. Der Kreisverband Esens war mit Aufnahme dieser Veranstalutng der dominierende Unterverband. Mrhrfach stellte man in den nächsten Jahren den Sieger. Die natürliche Rivaltität der guten Werfer untereinander förderte den Trainigsehrgeiz, so daß sich eine stattliche Zahl von exzellenten Werfern herausschälte und der Kreisverband Esens in der Lage war, bei Feldkämpfen gegen Oldenburg und gegen Holland und Schleswig-Holstein über die Hälfte der Mannschaft zu stellen.

In diesen Jahren trat das Boßeln mehr und mehr in den Vordergrund. Mit dem Ausbau der Straßen wurde das Boßeln immer populärer, da es nicht diese exakte Technik und große Wurfkraft erfordert wie das Klootschießen. Somit war die erste Großveranstaltung im Kreisgebiet den Boßlern vorbehalten. 1958 stand man sich mit über 200 Aktiven den Jeverländern gegenüber. Martin Klün, Mitbegründer von "An de Diek langs" Middelsbur und damaliger Vorsitzender des Kreisverbandes Jeverland, mußte schnell erkennen, daß der Kreis VIII Esens auch im Boßeln außerordentlich stark war. Mit über 200 Wurf mußte sich Jever geschlagen geben. Auch der Rückkampf im folgenden Jahr ging klar zugunsten der Esenser aus.

 

Die Freundschaft zu den Boßlern und Klootscheetern aus Twente/Niederlanden wird seit langer Zeit intensiv gepflegt.

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Der Boom durch die Einführung von Punktspielen

 

Im Jahre 1961 wurden innerhalb des Kreisverbandes Esens erstmalig die Punktspiele im Boßeln eingeführt. Die gemeldeteten Mannschaften wurden in vier Gruppen eingeteilt, die jeweiligen Gruppenersten ermitteln in ausgelosten Halbfinalbegegnungen und letzlich im Finale den Kreismeister. Sieger wurde die Mannschaft von "He kummt" Holtgast.

Ein nicht zu erwartender Boom setzte in den Folgejahren ein. Es wurden Staffeln gebildet, die über Hin- und Rückrunde ihre Meister ermittelten. Es folgte eine Einteilung nach Leistungsstärke und Altersklassen. Auch die Jugendklassen kamen hinzu, eingeteilt nach Knaben, Schülern und Jugend. In den 70er Jahren wurden die ersten Frauenligen gegründet - bis dato war das Boßeln und Klootschießen eine reine Männerangelegenheit.



Im Laufe der Jahre trug der Kreisverband VIII Esens verschiedene Großveranstaltungen aus, darunter zum Beispiel

    • Feldkampf 1964 in Neuharlingersiel

 

    • Friesischer Mehrkampf 1968 in Moorweg (bei dieser Veranstaltung überwarf Martin Siefken als zweiter Werfer überhaupt mit dem Kloot die Hundertmetermarke (100,35 m)

 

    • Cornelius-Apken-Gedächtnisfeier in Esens als Würdigung der besonderen Verdienste von Cornelius Apken für unser Heimatspiel als Spitzenwerfer sowie langjähriger Kreisvorsitzender und Landesverbandsvorsitzender

 

    • Friesischer Mehrkampf 1978 in Neuschoo

 

    • Friesischer Mehrkampf 1990 in Utarp

 

  • Friesischer Mehrkampf 2001 in Utgast

 

Ein denkwürdiger Tag für den Kreisverband war der 31. Mai 1981. Unter großer Anteilnahme aus Sport und Politik wurde das mit erheblichen Mitteln erstellte und ausgestattet Klootschießerleistungszentrum im Bereich des Friesischen Klootschießerverbandes in Utgast eröffnet. Das von der Samtgemeinde Esens bereitgestellte Gelände und die Räumlichkeiten in der alten Utgaster Schule wurde den Heimatsportlern übergeben.

Der Platz erhielt in Anerkennung für sportliche Leistungen des in Utgast beheimateten Spitzensportlers und Meisterwerfers den Namen Gerd-Gerdes-Platz. Verbunden war die feierliche Eröffnung mit der Enthüllung einer Gedenkstätte an einen der berühmtesten Werfer im Friesischen Klootschießerverband. Ein Pokalwerfen für Kreismannschaften im Flüchten vervollständigte das Eröffnungszeremoniell. Den Wanderpokal für diesen Wettbewerb stiftete die Ehefrau des Meisterwerfers Johanne Gerdes, die es sich auch nicht nehmen ließ, bei der Einweihung zugegen zu sein. Theodor Behrends, einer der besten Freunde von Gerd Gerdes, hielt die Laudatio bei der Enthüllung auf den Meisterwerfer. In der Kreisauswahlmannschaft des Kreises VIII, die auch den Pokal gewann, standen u. a. auch der Sohn des Geehrten, Gerd Gerdes und der Enkelsohn Hans Gerd Gerdes.

 


Der Kreisverband VIII Esens e. V. im 21. Jahrhundert

 

Heute sind dem Kreisverband 25 Vereine mit insgesamt 8111 Mitgliedern angschlossen. Im Punktspielbetrieb werden derzeit Wettkämpfe in allen Altersklassen ausgetragen - von der Jugend E bis zur Altersklasse V (70 Jahre u. älter). Zu den jährlich ausgetragenen Wettkämpfen außerhalb der Saison gehören die Einzelmeisterschaften im Boßeln und Klootschießen, der Friesische Mehrkampf, der Kreispokalwettbewerb sowie diverse Wettkämpfe auf Landes- und Verbandsebene. Eine besondere Verbindung besteht noch immer zum Kreisvrband Norden: Einmal jährlich findet ein Altherrenvergleich Esens-Norden statt - mit steigendem Interesse.

Geführt wird der Kreisverband Esens seit 1997 von Herbert Freese aus Neuschoo. Er löste auf der Jahreshauptversammlung am 22. August 1997 Hinrich Heeren aus Bensersiel ab, der dem Kreisverband Esens seit 1974 vorstand. In dieser Versammlung wurde Hinrich Heeren zum Ehrenvorsitzenden ernannt.

Ein weiterer erwähnenswerter Tag ist der 02. Juni 2001. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten und einer damit verbundenen Vergrößerung wurde das Domizil des Kreisverbandes in Utgast neu eröffnet. Unter Anteilnahme aus Politik und Sport konnte das Klootschießerzentrum Utgast an den Kreisverband Esens übergeben werden. Besonders hervorzuheben war die Tatsache, daß fast alle Vereine sich sehr tatkräftig und ohne Entgeld an den Umbaumaßnahmen beteiligt haben - auch dies ein Ausdruck der Identifikation mit unserem Kreisverband.




Neben den sportlichen Aktivitäten galt es auch immer, den kulutellen Teil, der sich unzertrennlich mit unserm Heimatspiel verbindet, würdig mit einzubetten. Es bleibt somit nur zu wünschen, daß diese bodenständige Sportart in der schnelllebigen Zeit in einem stetigen Aufwind bleibt und der Heimatsport als Teil des gesellschaftlichen Lebens weiter gefestigt wird nach dem Motto

"Frisch will wi de Klooten schmieten..."



Anmerkung:
Die Ausführungen zur Chronik des Kreisverbandes Esens stammen zu einem Großteil aus der Jubiläumsschrift zum 80 jährigen Bestehen des Kreisverbandes.

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